PEGIDA oder Eine Snoozel-Ecke für Deutschland!

by leastreisand

Zwei Wochen ist es her, da hab ich das erste Mal von den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ gehört. „Wie heißen die!?“, hab ich gerufen und musste lachen, weil ich dachte, das sei Satire. Ein neuer Streich aus dem Hause Titanic oder von den kongenialen Vögeln aus der ZDF-Anstalt, dachte ich. Sehr lustig. „Aber nein“, sagte mein Freund, „die meinen das ernst.“ Da wurde ich ernst. Ich meine, das ist doch schlimm, wenn die Realität die Satire an Idiotie übertrifft. Hallo, das geht doch nicht! Da hängen Arbeitsplätze dran!

„Und was wollen die?“, fragte ich. – „Die Islamisierung stoppen“, sagte Paul. – „In Dresden!?“, rief ich und musste wieder lachen. Auch wenn ich das gar nicht mehr komisch fand.

15000 Menschen sind letzten Montag in Dresden auf die Straße gegangen. Montagsdemo nennen sie das und rufen „Wir sind das Volk!“ Wie meine Eltern vor 25 Jahren in Berlin. Nur dass meine Eltern und Hunderttausende andere Menschen damals in der DDR für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind. Für freie Wahlen. Meinungsfreiheit. Pressefreiheit. Ideologische Freiheit. Dafür, dass kein Schüler mehr zum Direktor zitiert wird, weil er die falschen Klamotten anhat, wie es meinem Vater als Jugendlichem so oft passiert war. Dafür, dass kein Künstler mehr Auftrittsverbot bekam, weil er irgendwas Falsches gesagt hatte, wie es Freunden meiner Eltern passiert war. Dafür, dass die Gesellschaft, in der sie lebten, pluralistischer wurde, vielfältiger, bunter.

Naja, bunter wurde es bald, wenn auch auf andere Art, als meine Eltern und ihre Freunde sich das vorgestellt hatten. Helmut Kohl hatte nämlich gelbe Bananen in Petto und einen schwarz-rot-goldenen 10-Punkte-Plan, den er seinen verdutzten Kollegen eines Morgens Ende November 89 aus dem schwarzen Hut zauberte und dessen TOP 10 hieß: „Deutsche Einheit“.

Den PEGIDA-Leuten ist es schon lange zu bunt geworden. Sie fordern Burkaverbote und Hochdeutsch-Pflicht (Ach nein! Verwechselt. Das war die CSU.) und sie haben unsagbare Angst; die Angst der Mittelschicht vor dem Abstieg, die Angst vor der Altersarmut, die Angst vor einer immer komplexer, weil vielfältiger werdenden Welt, in der Gut und Böse, Mann und Frau, schwarz und weiß überhaupt nicht mehr auseinander zu halten sind. Diese Angst müssen wir ernst nehmen!

Denn es war vieles Scheiße an der DDR, aber zumindest hatten die Leute einen gemeinsamen Feind: den Staat, die „da oben“, die „Einheitspartei“, die sich als Vertreter des Volkes in fingierten Wahlen mit lächerlichen Quoten von fast hundert Prozent stets aufs Neue bestätigen ließ.

Aber immerhin hatten alle Arbeit. Und eine Wohnung. Und Westfernsehen. Ach nein. In Dresden nicht, die Funkwellen kamen nicht über das Elbsandsteingebirge drüber. Armes Tal der Ahnungslosen.

Vielleicht sollten wir doch auf den Plan der Titanic zurückgreifen und die Mauer wieder aufbauen. Muss ja nicht in Berlin sein. Wir könnten aus den Brocken, die bei uns hier eh nur sinnlos in der Gegend rumstehen eine Festung bauen, ein Gehege, einen Panic Room, in den die Ängstlichen sich zurückziehen können, wenn die Angst zu groß wird.

Wir brauchen eine Snoozel-Ecke für Deutschland! Mit Christstollen und Bier von morgens bis abends und Horst Seehofer tanzt mit Helene atemlos durch die Nacht!

Hier der Radioeins Track des Textes zum Nachhören: http://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/war-schoen-jewesen/pegida.html