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Nazi-Oma

by leastreisand

Vorhin im Tante Emma Laden. Eine alte Dame mit großen Brüsten und dicker Brille steht mitten im Laden und redet mit schriller Stimme auf die Verkäuferin ein.

„Das is zu viel“, sagt sie. „Das ist zuviel für ein kleines Land. Wir können doch nicht alle aufnehmen.“ – „Ja, ja“, sagt die Verkäuferin. – „Oh nee“, denke ich. – „Das muss man doch noch sagen dürfen“, sagt die Dame, „Mir reicht es jetzt auch. Montag. Montag gehe ich zur SPD. Die haben doch hier den Laden. Da werde ich hingehen und denen meine Meinung sagen. Da habe ich auch keine Hemmungen.“ – „Nee, warum auch“, sagt die Verkäuferin. Ich merke, wie sich meine Muskeln anspannen. „Da werde ich denen das sagen“, sagt die Dame, „So geht das nicht weiter. Ich hab auch keine Lust, mich als Faschist oder Nazi beschimpfen zu lassen. Ich bin sechsunddreißig geboren. Ich hab alles mitgemacht. Kälte, Hunger, alles. Ich weiß, wie das ist. Bin doch selber jahrelang ausgenommen worden von der Sowjetunion. Alles haben sie uns weggenommen. Alles.“ – „Mir kommen die Tränen“, murmele ich. Die Verkäuferin guckt mich an. Die Dame geht schimpfend weg. Während sich meine Muskeln entspannen, wächst mir wirklich ein Klos im Hals.

1936 geboren, denke ich, als ob das irgendwas rechtfertigen würde! Will nicht als Nazi beschimpft werden! Würde mich ja mal stark interessieren, wie ihre Eltern so drauf waren. Ich rechne. Neun Jahre Ideologiedröhnung bis 1945. Das reicht für ein ganzes Leben.

Heute morgen haben sie im Radio erzählt, dass irgendwo auf der Autobahn ein Lastwagen mit 70 Leichen gefunden wurde. Alles Flüchtlinge. Eine Seite des Wagens war ausgebeult. Sie haben noch versucht, sich zu befreien. Jämmerlich erstickt, verdurstet. Wie Vieh. Wie damals die Häftlinge in den Zügen nach Auschwitz. Da war die Dame schon auf der Welt.

Im Mittelmeer sind wieder 500 Menschen ertrunken.

4 comments

Maribel 28. August 2015 - 14:21

Wow. Toller Text voller trauriger Worte. Und leider ist es so. Alle sagen „Das darf man ja wohl noch mal sagen dürfen.“, stellen sich als Opfer hin, sagen die anderen würden ihnen irgendwas wegnehmen: Wohnungen, Jobs, Freiheit, Ruhe? Blödsinn. Ich fühle so mit dir gerade. Die Worte haben mich wirklich berührt!

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aussteiger geno 29. August 2015 - 10:00

die mehrheit der armutsflüchtlinge kommt, weil wir sie bestehlen !
die fluchtursachen müssen bekämpft werden. unser wirtschaftliches wachstum bedeutet heute wachstum der armut und wachstum der hungernden menschen auf unserem planeten. diese politik mit unserem gegenwärtigen system sorgt weltweit für aufstände der unterdrückten, bürgerkriege, armut und hungersnot. wir gierigen konsumenten sind die komplizen und lassen mit unserem konsumverhalten all dies erst zu.

fragt nicht mehr was eure regierungen gegen all die armut und hungesnot auf unserem planeten tun können, fragt euch selbst, was ihr dagegen tun könnt.

51 millionen menschen sind auf der flucht und 86 % davon landen und leben in entwicklungsländern. 2013 nahm deutschland gerade mal 109.000 flüchtlinge auf.aber pakistan 1.600.000, iran 857.400, libanon 856.500, jordanien 641.900 und die türkei 609.900.

„illegale einwanderer sollen zurück nach hause!“ viele einwohner der enwicklungsländer, oder die australischen aborigines fragen: „wirklich? wann geht ihr denn?“

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Jette 29. August 2015 - 15:35

Hat dies auf einfach.nur.so rebloggt.

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Trautmann 30. August 2015 - 2:18

Wenn man jemanden vor sich hat, kann man ihn fragen. Sie war damals 9 Jahre alt als Menschen deportiert wurden. Wie alt sind Sie jetzt ? Und es geschieht das, was Sie beschreiben.

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